Aserbaidschan, ein multikulturelles und multireligiöses Land an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien, beherbergt seit Jahrhunderten eine bemerkenswerte jüdische Gemeinschaft. Besonders hervorzuheben ist die Siedlung Qırmızı Qəsəbə („Rotes Dorf“) in der Region Quba, die als das „Jerusalem des Kaukasus“ bekannt ist. In dieser einzigartigen Gemeinde leben seit Jahrhunderten Bergjuden (auch Dschuhuren genannt), die ihre Traditionen, Sprache und Religion in bemerkenswerter Weise bewahrt haben.
Historischer Hintergrund
Die jüdische Präsenz in Aserbaidschan reicht mehrere Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende zurück. Es wird angenommen, dass die ersten jüdischen Gruppen während der Antike oder im frühen Mittelalter aus Persien und anderen Teilen des Nahen Ostens in den Kaukasus kamen. Besonders die Bergjuden, eine ethnisch und religiös einzigartige Gruppe, ließen sich in den abgelegenen Bergregionen Nordaserbaidschans nieder.
Ein Wendepunkt war das 18. Jahrhundert, als die Region um Quba zu einem sicheren Zufluchtsort für Juden wurde. Der damalige Khan von Quba gewährte den Juden Schutz und ermöglichte ihnen, sich in einem eigenen Dorf – Qırmızı Qəsəbə – niederzulassen. Der Name leitet sich von den roten Ziegeldächern ab, die das Ortsbild prägen.
Die Bergjuden: Ein einzigartiges Volk
Die Bergjuden sprechen eine eigene Sprache, das Dschuhuri (auch Judeo-Tat genannt), das auf dem Persischen basiert und mit hebräischen Einflüssen durchsetzt ist. Sie praktizieren eine orthodoxe Form des Judentums und haben über die Jahrhunderte hinweg ihre religiösen Bräuche, Feiertage und kulinarischen Traditionen bewahrt.
Qırmızı Qəsəbə war über viele Jahre hinweg die einzige ausschließlich jüdische Siedlung außerhalb Israels. Zu Hochzeiten lebten dort bis zu 8.000 Juden, heute sind es zwar nur noch etwa 500 ständige Bewohner, doch viele ehemalige Bewohner kehren regelmäßig aus Israel, Russland oder den USA zurück, insbesondere zu hohen Feiertagen.
Das Verhältnis zwischen Juden und Muslimen
Aserbaidschan ist ein überwiegend muslimisches Land (mehrheitlich schiitisch), doch das Zusammenleben zwischen Juden und Muslimen ist seit Jahrhunderten von gegenseitigem Respekt geprägt. Antisemitismus ist in Aserbaidschan eine Seltenheit – ein Faktum, das oft in westlichen Medien positiv hervorgehoben wird.
Der aserbaidschanische Staat erkennt die jüdische Gemeinschaft offiziell an und unterstützt ihre kulturellen und religiösen Aktivitäten. Synagogen, jüdische Schulen und Kulturzentren in Städten wie Baku und Quba zeugen von einer lebendigen jüdischen Kultur.
Wichtige jüdische Zentren in Aserbaidschan
| Ort | Bedeutung |
|---|---|
| Qırmızı Qəsəbə | Zentrum der Bergjuden, auch „Jerusalem des Kaukasus“ genannt |
| Baku | Heimat mehrerer jüdischer Gemeinden, Synagogen und Bildungseinrichtungen |
| Oguz | Kleine jüdische Gemeinde mit langer Tradition |
| Quba | Region mit historisch gewachsenen Beziehungen zwischen Juden und Muslimen |
Kulturelles Erbe
Die jüdische Kultur in Aserbaidschan ist reich und vielfältig: Musik, Tanz, traditionelle Speisen wie plov, kuta oder dovga spiegeln sowohl jüdische als auch aserbaidschanische Einflüsse wider. Religiöse Feiertage wie Rosch ha-Schana, Jom Kippur und Pessach werden mit großem Engagement begangen – häufig auch unter Einbeziehung der muslimischen Nachbarschaft.
Aktuelle Situation und Ausblick
In den letzten Jahrzehnten sind viele aserbaidschanische Juden nach Israel oder in die Diaspora ausgewandert, doch Qırmızı Qəsəbə bleibt ein Symbol für das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen. Der aserbaidschanische Staat setzt sich aktiv für den Erhalt jüdischer Stätten ein, darunter die Restaurierung alter Synagogen und Friedhöfe.
Wichtige Punkte im Überblick:
- Aserbaidschan hat eine der ältesten jüdischen Gemeinden der Region.
- Qırmızı Qəsəbə ist weltweit einzigartig als jüdische Siedlung im Kaukasus.
- Die Bergjuden sprechen Dschuhuri und praktizieren ein traditionsreiches Judentum.
- Jüdisch-muslimisches Zusammenleben in Aserbaidschan gilt als vorbildlich.
- Der Staat unterstützt aktiv den Erhalt jüdischen Kulturerbes.
Fazit
Das Judentum in Aserbaidschan ist ein bemerkenswertes Beispiel für kulturelle Vielfalt, religiöse Toleranz und jahrhundertealte Traditionen. In einer Welt, in der interreligiöse Spannungen vielerorts zunehmen, bietet das „Jerusalem des Kaukasus“ ein lebendiges Beispiel für ein friedliches Miteinander – ein Erbe, das bewahrt und gewürdigt werden sollte.

